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Die Landstreicher

Die Landstreicher gaben Udin boršt einen besonderen Siegel, die in diesem Wald seit Ende des 18. Jahrhunderts bis Mitte des 19. Jahrhunderts lebten, vor allem aber in den Jahren von 1825 bis 1853. Ein bekannter Treffpunkt der Landstreicher war bei der Kriva jelka (die krumme Tanne), wo sie Feste und Hochzeiten abhielten.

Wer waren diese Landstreicher?

Die Landstreicher waren sehr gut organisierte Banden von Räubern, Bettlern und Vagabunden, die im 18. und 19. Jahrhundert in der Region Gorenjska tätig waren. In dieser Zeit litt ganz Europa unter ständige Kriegen, Naturkatastrophen und sozialen Umstürzen und der damit verbundenen Menschennot.
Diese Not zwang viele Menschen zum Betteln und Rauben, später auch zu den Erpressungen und Diebstahl.
Die Landstreicher gruppierten sich im größten Teil Gorenjska in Banden, die die Einheimischen sowohl auch Fremde einschüchterten. Die Bandenführer waren veraltete und geflohene Soldaten, die in den Armeen bis zu 14 Jahre dienen mussten. Wegen des tiefen Waldes und der Karstgrotten war ihr Zentrum der Wald Udin boršt.
Auf den Märkten und in den Dörfern hatten die Landstreicher ein sehr gut organisiertes und ausgebreitetes Informationsnetz, das ihnen Informationen gab, was Einheimischen über sie wussten, woher ihnen eine Gefahr drohte und wo man etwas stehlen konnte. Die Einheimischen wunderten sich angstvoll der „Alleswisserei“ der Landstreicher und waren überzeugt, es handelte sich um Zauberer, die sich unsichtbar machen konnten.
Das Mysteriöse der Landstreicher wurde unterstützt durch ihre schwer verständliche Sprache, eine Mischung von verschiedenen Sprachen und Dialekten.
Die Landstreicher hatten eigenen „Priester“  und sogar den „Papst“ und in ihrem Lager führten sie Hochzeiten durch. Die Landstreicherpaare wurden für drei Monate verheiratet, die Zeremonie endete mit einem Sprung über den Graben. Unter den Landstreicher gab es auch ziemlich viele Frauen, die eine gleichberechtigte Stellung annahmen.
Die Landstreicher waren den Obrigkeiten eine sehr große Plage, deshalb nannten sie diese „Krainische Zigeuner“ und sogar „Landespest“.  Nach dem Jahr 1850, mit der Einführung der bewaffneten Macht in den österreichischen Ländern und mit der Regelung der politischen Verhältnisse, konnten sie bekämpft werden. 

  Was wissen wir heute eigentlich von den Landstreichern und der Landstreicherei?

Der Landstreicher war ein derbes selbstständiges Mannsbild, der sich mit den Obrigkeiten nicht sehr gut verstand, in seinem Herzen aber ein gutherziger Mensch war, der dem einfachen Menschen immer zur Hilfe bereitsteht. So ein Bild haben wir heute von dem Landstreicher.

Wie wurden sie aber von ihren Zeitgenossen gesehen?  Im Jahr 1840,  als sie noch sehr zahlreich und sehr tätig waren, wurden sie in der Zeitung Illyrisches Blatt als „Die krainischen Zigeuner“ bezeichnet. Der Autor des Textes schrieb, dass die Landstreicher schon seit jeher Zeiten in den vermögenden Regionen Kranjs als eine Bettlerbande herum gestrichen waren, bekannt als Rakovnazhi, Shteklazharji, Plajsharji oder Masharji. Sie waren natürlich keine echten Zigeuner sondern einheimische Krainer, die den gleichen Dialekt sprachen; sie unterschieden sich von den Zigeunern auch der Physiogonomie und ihrer Kleidung nach. Anstatt Reisebündelchen und Stöcke der Männer und Töpfe und Kinder auf den Rücken und in den Händen der Frauen waren sie sehr gut gekleidet, sie trugen die Tracht der Region Gorenjska und man konnte sie schnell für vermögende Bauern halten. 

Echte Landstreicher waren Männer und Frauen (ca. 70 – 80 Personen), die geborene Bettler ohne Heimatland waren. Sie hatten keine Einträge in Geburtskunden, sie gehörten keiner Pfarre an und sie heirateten ohne amtliche Dokumente, doch sie ließen ihre Kinder taufen. Im Sommer hielten sie sich in dem Wald auf, nachts fanden sie Schlafstellen in den Wirtschaftgebäuden der Bauernhöfe, ohne die Eigentümer um Erlaubnis zu fragen. In den Wintern fanden sie Zuflucht bei armen Keuschlern, Mietern und in einsamen Gasthäusern. Da sie von den Obrigkeiten verfolgt wurden, hielten sie sich nicht sehr lange an einem Ort auf, sondern wanderten in einzelnen Banden, normalerweise zusammen mit Familienmitgliedern von Ort zu Ort, wie z. B. in den Bezirken Brdo bei Podpeč, Krumperk, Križ (Kamnik), Mekinje, Velesovo, Kranj und teilweise in den Bezirken Tržič, Radovljica, Škofja Loka und in Ljubljana mit Umgebung.
Sehr häufig besuchten sie die Märkte. Zu diesem Zweck waren sie schön gekleidet und ohne irgendwelche Bettlersymbole. So unerkennbar haben sie leichter ihre „modus adquirendi“ oder mit anderen Worten Diebstahl durchgeführt. Sie waren auch bei jedem kirchlichen Fest und Hochzeit anwesend, wo ihnen mit einem großen Bottich Wein bedient werden musste.
Die Männer bettelten sehr selten, dies war die Arbeit der Frauen und Kinder – diese haben anstatt zu betteln regelrecht gefordert, am liebsten nach Brei, Speck und Fleisch. Und wenn die Leute ihnen nicht gehorchten, begannen sie furchtbar zu fluchen und drohten mit Feuer. Doch wollten die echten Landstreicher nicht als Räuber oder Diebe gelten, sondern protzten mit ihrem Status, sie seien „edle“ Bettler. Ihren Status wechselten die Landstreicher sehr selten. Wenn dieses doch geschah, dauerte es nicht sehr lange und sie kehrten in ihre vorige beliebte Lebensweise zurück. Wenn jemand sie ansprach und davon zu überzeugen versuchte, nicht mehr Landstreicher zu sein und sich mit ehrenhafter Arbeit abzugeben, war ihre Antwort folgende:

Es arbeitete nicht mein Vater und nicht meine Mutter, also brauche ich auch nicht zu arbeiten.
Und warum?
Der Bauer pflügt sein Land, bemüht sich,
ich tanze und schlafe,
er isst Haferbrot,
und ich bekomme Weißbrot.

Der Autor des Zeitungsartikels in dem Illyrischen Blatt stellte sehr fortschrittlich fest, dass die Verfolgung und Bestraffung dieser Menschen nutzlos sei, solange nicht um ihre materiellen und moralischen Bedürfnisse gesorgt wird. Und solange ihnen das Herumwandern nicht unmöglich gemacht wird, wird dieses Land nicht von dieser Plage befreit sein. Sie vermehrten sich sehr stark, und weil sie wie echte Naturmenschen lebten, kräftigten sie sich ständig und waren sehr selten krank. Und als sie starben, forderten sie immer eine christliche Beerdigung.
Unter ihnen gäbe es keine echten Landstreicher, es handelte sich um Menschen, die sich den Landstreichern aus Verzweiflung angeschlossen haben. Diese Menschen  waren viel schlechter und gefährlicher als die echten geborenen Landstreicher.

Der letzte bekannteste und tätige Landstreicher war Dimež. Franc Ziherl – Dimež wurde am 2. Dezember 1827 im Ort Gorenja Sava bei Kranj als ein uneheliches Kind der Mutter Jera Ziherl geboren. Die Mutter Jera war bei den Obrigkeiten als eine Frau bekannt, die mit den Landstreichern engste Kontakte hatte, oder wie Kranjs Bezirksverwalter schrieb, sollte Vater von Dimež Janez Traven sein, der Angehöriger einer der ältesten Landstreicherfamilie in Kranj und Jera war seine Beischläferin. Dimež gesellte sich zu den Landstreichern, als er in der Armee dienen sollte. Er wurde im Jahr 1852 gefangen genommen und Dimež wurde auf 18 Jahre Gefängnis verurteilt. Im Jahr 1857 wurde er zur Strafe nach Osijek geschickt, von wo er nach zwei Jahren flüchtete. Er kehrte in seinen Heimatort zurück und rief die Landstreicherei erneut ins Leben.

Zum Alltag der Landstreicher gehörte das Niederbrennen, Diebstahl und Raub und erreichte bald Sorge erregenden Ausmaß. Dimež konnte trotz des versprochenen Preises für seine Festnahme und aller Anforderungen der Bezirksobrigkeiten und Gendarmarie nicht gefangen werden. Die Bauern wollten in dieser Gelegenheit nicht mit den Obrigkeiten mitarbeiten, weil sie Dimežs Rache fürchteten, wenn er wieder fliehen sollte. Die Obrigkeit und die Einheimischen atmeten erst wieder auf, als Dimež im Jahr 1862 in einem Feuer im verlassenen Ziegelwerk ums Leben kam. Einige Landstreicher, die Büße taten, wurden nach der bestehenden Strafe von der Gesellschaft wieder in ihrem Kreis aufgenommen,  zumindest wurden sie von der Obrigkeit nicht mehr verfolgt.

Die Lebensweise der Landstreicher

Noch aus der Zeit der Landstreicherfamilien stammt der Vergleich der Lebensweise der Landstreicher mit der der Zigeuner. Schon im Jahr 1852 schrieb Kranjs Bezirksoberhaupt Pauker dem Landesstatthalter: „Dem hohen Statthalter ist die Verfolgung und Befassung mit den Landstreichern schon vor der französischen Okkupation in diesem Land bekannt. Diese Menschen leben wie eine Landespest auf Kosten der Gemeinden und erpressen von ihnen Geld und Lebensmittel und leben in den Wäldern wie Zigeuner. Ihre beliebtesten Zufluchtsorte sind die großen kaiserlichen Wälder in der Nähe Kranjs. Sie sind sozusagen echte Zigeuner. Seit der französischen Okkupation sind diese Zigeuner immer kühner, da ihnen viele Arbeitsscheuende, Deserteure und Räuber zugesellt sind“.

Der Oberhaupt Pauker hat den Vergleich der Landstreicher mit den Zigeunern auch in der umgekehrten Weise benutzt, „er bemühte sich nicht die Zigeuner zu verjagen, wohin sie gehörten und dass er die Bezirke Postojna und Spittal ganz besonders gebeten hatte, dafür zu sorgen, dass ihre Zigeuner nicht mehr nach Gorenjska kämen, weil es dort schon so viel Diebstahl  gäbe und man Zigeuner wie Räuber behandelt. Das Sammeln abgenutzter Bekleidung sei nur Vorwand um herumzuziehen und zu rauben und wie alte Landstreicher zu leben, das heißt, sie erpressten die Gemeinden wie Landespest um Lebensmittel, sie stählen Hühner und Lämmer, Kartoffeln von den Feldern um diese dann in großen Töpfen im Wald zu kochen. Diese Zigeuner hätten zwar heimatliche Urkunden und Genehmigungen zum Sammeln alter Bekleidung, doch müsste man sie als Landstreicher betrachten, die die öffentliche Sicherheit bedrohen, weil sie sich nicht wie andere Leute benehmen, sondern seien ihr Heim meistens die Wälder, wo sie wie Landstreicher leben, kochen, schlafen usw. So wie eine richtige Pest, die einmal hier und ein andermal anderswo die Einheimische mit Vorhersagen verirren, von ihnen Lebensmittel erpressten, Kartoffel, Hühner, Schafe usw. stehlen. Das Bezirk sei schon ohne Dieses genug bedroht von der „Ziherl“ Bande (die Bande des Dimež) und diese Zigeuner, die wie Landstreicher leben, seien so wenig zu dulden, da ihnen die Genehmigung zur Sammeln der Bekleidung nur als Ausrede gilt, wie Landstreicher herumzustreichen.«

 

Anrüchige Eigenschaften der Landstreicher

Landstreicher konnte jedermann sein und jedermann konnte Kontakte mit ihnen haben: „Die Landstreicher hatten ihre geheimen Treuhänder bei den nach Geld gierigen Bettlern, Geschäftsmännern, Bauern und Gastwirten, und sogar unter den Schergen und amtlichen Dienern, auf den Märkten und in den Dörfern. Sie haben ständig nachgeforscht, was Leute über sie erzählten, woher ihnen die Gefahr drohte und wo etwas zu stehlen war. Diejenigen, die nichts von der geheimen Treuhänder der Landstreicher wussten, wunderten sich ängstlich über ihre Alleswisserei und waren sogar davon überzeugt, dass die Landstreicher Zauberer waren, die sich unsichtbar machen konnten « (Josip Mal, Die Geschichte des slowenischen Volkes, 1993).

Was ihre Unsichtbarkeit betrifft muss zuerst erwähnt werden, dass sich die Landstreicher in ihrer mehr oder weniger heimischen Gegend bewegten, wo sie viele Treuhänder hatten. Diese Tatsache betonte auch ihr Zeitgenosse und Verfolger, Kranjs Oberhaupt Pauker, der im Jahr 1852 dem Landesstatthalter berichtete: »Die größte Hindernis bei der Verfolgung der Räuber stellt ihre Fertigkeit dar, in jedem Ort Spionen und Helfer zu bekommen, die dazu teilweise aus Not und Armut gezwungen waren.«

Die „Unsichtbarkeit“ gab den Landstreicher auch ihren Namen. Woher stammt das Wort „Landstreicher“? Etymologisches Wörterbuch enttäuscht uns an dieser Stelle ein wenig, da dort geschrieben steht, dass „das Wort etymologisch nicht zufriedenstellend  gedeutet ist. Vielleich bedeutet das Wort ´jemand, der betören kann´, was aus dem slowenischen Wort „rokovnjač“ als “urok“  oder Zauberspruch gedeutet werden kann. Wenn diese Vermutung richtig ist, spiegelt sich in dem Wort die volkstümliche Überzeugung wider, dass die Landstreicher besondere Kräfte besitzen, die sie bei ihren Verbrechen unsichtbar machten«.

Die Landstreicher sollten nämlich den Kindern die Hände abgeschnitten haben, mit denen sie sich im Dunkeln leuchteten. Der Glaube in Zauberkräfte des Blutes und Körperteile des ungeborenen Kindes ist uralt. Bekannt ist die Legende über den Landstreicher, der einer schwangeren Frau den Bauch aufschnitt. Was die Kinderhände und aufgeschnittene schwangere Frauen anbelangt kann die Grundlage für eine solche volkstümliche Fantasie darin zu suchen sein, dass Landstreicher neben anderer Verbrechen auch viele ihrer unerwünschte Kinder ermordeten, die in nichtehelichen Beziehungen geboren wurden.

Neben der vermuteten Unsichtbarkeit der Landstreicher wurden ihre Geheimnisse noch durch ihre Sondersprache betont, die von den Gesellschaftsgruppen vom Rande der Gesellschaft sehr gern gebraucht wurde. Die Landstreichersprache war ein Gemisch verschiedener Sprachen und Dialekte, wobei es sich am häufigsten um deutsche Wörter handelte, viele waren auch aus dem Romanischen. Die Landstreicher selbst nannten ihre Sprache „plintovska špraha“ (Blindensprache).

Ein Passus der Landstreichersprache mit deutscher Übersetzung 

Federman v glajsu je šporov, v zavtragah mila grand blinkov. Pri flodermanu žohajte prtovne in šenovih flisank za naše dernice, za nas pa zaguznic. Kripovcu vnemajte eta krip in eta ajšnic. Tragajte vse k erbežniku; on je naš ferlakar in nam bo vse pohrambal. Pinatovec je šorbon: kdor ga maga, popiha naj ga. Fosel groma naj kdo pokuma pri porbarju, ma ga namilamo nihto več. Sutar ga volamo porbati čink puškapnikov; vaštre ne bom porbal nihto več. Die Herrschaften im Schloss sind reich, mit Kisten voll Geld. Sucht beim Schneider Leinen und schöne Röcke für unsere Mädel und Hosen für uns. Nehmt beim Schuster einige Schuhe und Lederhäute. Bringt alles zum Schinder, denn er ist unser Freund, und er wird alles gut verstecken. Der Rastelbinder ist Flüchtling; wer kann, erschießt ihn. Einen Fass Wein soll jemand dem Gastwirt stehlen, wir haben keinen mehr. Wir wollen ihn morgen fünf Fässer trinken; denn Wasser trinken wir nimmer mehr.

In den Beschreibungen der Landstreichersitten ist nicht zu übersehen, dass sie schön gekleidet waren. Wie schon oben angeführt, wurde diese Tatsache in dem Zeitungsartikel im Illyrischen Blatt erwähnt. Im Jahr 1875  betonte dieses auch der Alfonz Pavlina in der Zeitung Slovenski narod, »dass die Einwohner des Udin boršt meistens aus der Nähe des Kranjs sind und viel besser gekleidet sind als die Bauernjünglinge und sich gern mit den Dorfbewohner gesellen «.
Diese Bekleidungseigenschaft kann sehr einfach damit erklärt werden, wenn man in Betracht zieht, dass die Landstreicher in die Bauernhäuser einbrachen und aus den Truhen Wertgegenstände – Geld, auch Schmuck und die schönste Bekleidung (sehr oft auch Regenschirme) stahlen. Die Bekleidung haben sie auch weiterverkauft, doch zuerst kleideten sie sich selbst an. Im Jahr 1821 gefangen genommene Landstreicher waren bekleidet mit Baumwollstoff  in Leinenknüpfung, mit rot und gelb gefärbten Hemd mit Weste, mit weiß-blauen Schürze, mit schwarz-rot karierten Halstuch mit grünen Fransen, mit einem aus Musselin gemachten Kopftuch – ihre Bekleidung war sehr bunt.

Nicht zu vergessen ist noch die Landstreicherhochzeit. So hatten die Landstreicher ihre Gelegenheitspriester, sogar einen Papst, der die Ehe als geschlossen erklärte und ihren Ehen eine imaginäre Legitimität und Grund zum zügellosen Feiern verlieh. 

Diese Strophe ist sehr bekannt, mit der der „große Groga“ das Hochzeitsritual durchführte:
In nomine patre,
vzem' jo na kvatre,
če goršo dobiš,
pa to zapustiš!
Im Namen des Vaters, nimm
sie zur Frau für ein Viertel
Jahr, wenn du schönere
bekommst, verlass die!

Der Ruhm der Landstreicher

Der romantischste Mythos über die Landstreicher spricht davon, dass sie nur die Reichen bestahlen, den Armen in Not sogar halfen. Hier ist der uralte Wusch nach Bestraffung der skrupellosen Reichen und der Hilfe für Arme bemerkbar. Wenn man in England den Robin Hood hatte, war dies bei uns der Landstreicher. Und dieser positive Mythos über die Landstreicherei hält weiterhin an.

Je mehr man die Zeit der Landstreicher hinter sich ließ, desto mehr wurden dem Landstreicher Robin Hoods Tugenden zugeschrieben. Schon 1875 pries Alfons Pavlin ihre Tugenden in der Zeitung Slovenski narod. Unter anderem schrieb er, »dass sie dem Bauer üblicherweise nichts antun, nur die Reichen und die Kirche bestehlen sie«.

Dazu schrieben Autoren in unterschiedlichsten Notizen, mit dem Wunsch die Landstreicherei so positiv wie möglich zu machen, und gaben ihnen daher den Anschein, eine schwarze Armee zu sein, die der Aufsicht der Obrigkeit entflohen sei und alles durcheinander beraubt hatte. In der Zeit der französischen Okkupation sollten sie ein Art „Guerilla“ darstellen, die Franzosen angriff. Alle diese Interpretationen müssen mit Bedenken gedeutet werden: einige Tatsachen entsprechen der Wahrheit, die Ursachen aber werden völlig willkürlich erklärt und sind deshalb noch irreführender.
Auch für die These, dass ein großer Teil der Raube und Diebstähle dem sozialen Widerstand zuzuschreiben sei und sie als (vor)revolutionäre Bewegung zu verstehen sei, kann man in den Literaturquellen keine Bestätigung finden. Die heutigen Nachforschungen deuten darauf hin, dass es sich um Armut und Marginalisierung handelte. Die Aussagen der Verbrecher in den Gerichtsschriften sind nämlich völlig ohne sozial-politische Konzepte.
Weiter können wir auch feststellen, dass der Mythos über die Tätigkeiten der Landstreicher von den Landstreichern selbst verbreitet worden ist. Je geheimnisvoller ihre Tätigkeit war, desto größere Kraft hatten sie. Es wurden zahlreiche Schriften über die Aussagen der „pensionierten“ Landstreicher gefunden. Ihren Abenteuern wurde mit offenem Mund zugehört. Die niedergeschriebenen Erzählungen wurden dadurch unsterblich.
Und so gelangen wir zu der völlig literarischen Landstreicherei, die als Folge des romantischen Schreibens des 19. Jahrhunderts entstand und die mit der echten Landstreicherei fast nichts mehr gemeinsam hat. Die literarische Bearbeitung des Räuber-Themas hat zur dessen Idealisierung beigetragen. Dieses war natürlich nicht eine slowenische Besonderheit; die Deutschen haben eine besondere Literatur, die s.g. »Landstreicherromantik«, zu der eine große Zahl der s.g. Räuberromane gehören (Landstreicherromane) wie z.B. Schillers Drama Die Landstreicher, 1781.

Von Erzählung zur Erzählung sind die Landstreichertugende sogar in ernsten historischen Büchern gelandet. In dem Buch „Die Geschichte der Slowenen“ aus dem Jahr 1979 (Zgodovina Slovencev, Cankarjeva založba) ist folgender Eintrag über die Landstreicher zu finden: »Die Landstreicher haben die Schlossherrschaft und auch andere Herrschaften angefallen, während sie den armen Bauern und den Käuschlern geholfen haben«.
Demzufolge ist die heutige „Erinnerung“ an die Landstreicher wie oben beschrieben. In der aktiven Zeit der Landstreicher waren die Schriften über ihre Tätigkeit sehr unromantisch. In den Zeitungen und amtlichen Schriften haben die Obrigkeiten (Bezirksführung, Gemeinde, Polizei, Gendarmarie) über die Landstreicher wie Landespest geklagt. Doch scheint es, dass gerade aus dem Volk, das eigentlich am stärksten wegen der Landstreicherei litt, spätere Autoren, Schriftsteller, nur das positive, interessante, heroische und den Obrigkeiten widerstrebende, betonten. Gerade unter dem Volk behaupteten sich die schrecklichen, doch reizvollen Erzählungen über die Landstreicher, die den Armen nichts antaten, sondern nur die Reichen bestahlen, am stärksten.